Fast fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals darf sich in Deutschland rund eine Viertelmillion betrogener Dieselfahrer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda auf ein Entschädigungsangebot von VW einstellen.
Anspruchsberechtigt sind ausschließlich die aktuell im Klageregister eingetragenen Teilnehmer der Musterfeststellungsklage. Vorausgesetzt sie sind oder waren Eigentümer eines Fahrzeugs mit Dieselmotor des Typs EA 189 (Euro5, Baujahr 2008 bis 2015), hatten beim Kauf ihren Wohnsitz in Deutschland und haben den Neu- oder Gebrauchtwagen vor dem 1. Januar 2016 erworben. Auch dürfen sie ihre rechtlichen Ansprüche nicht an Dritte abgetreten, ein rechtskräftiges Urteil erhalten oder einem Vergleich zugestimmt haben.
Einmalzahlung von VW
Rund 446.000 Interessenten hatten sich zur Teilnahme angemeldet. Mehrfachnennungen, zurückgenommene Anmeldungen, Abtretungen an Rechtsdienstleister und fehlerhafte Registereinträge reduzieren die Zahl auf etwa 260.000 tatsächlich anspruchsberechtige Verbraucher. Schriftlich von VW informiert, können die Betroffenen online zwischen dem 20. März und 20. April ein einmaliges Vergleichsangebot von VW einsehen.
Die Höhe dieser Einmalzahlung ergibt sich aus einer von VW errechneten Matrix. Je nach Fahrzeugtyp und Modelljahr liegen die Vergleichsangebote zwischen 1.350 und 6.257 Euro. So erhält der Halter eines zehn Jahre alten VW Golf 2.045 Euro, während der Fahrer eines acht Jahre alten Audi A4 (Baujahr 2012) auf 3.861 Euro käme. Im oberen Drittel liegt der Skoda Superb aus dem Modelljahr 2016 (Baujahr 2015) mit 4.890 Euro.
Ansprüche verwirken
Wer dem Vergleich innerhalb der vierwöchigen Frist zustimmt, erhält den Entschädigungsbetrag innerhalb von zwölf Wochen ausbezahlt.
Warum aber die Eile? Weil am 5. Mai ein VW-Sharan-Fahrer vor dem Bundesgerichtshof (VI ZR 252/19) den vollen Kaufpreis und die Rückgabe seines Diesel-Vans erstreiten will – über 30.000 Euro und ohne, dass ihm für die gefahrenen Kilometer ein Nutzungsvorteil abgezogen würde. Ob das klappt, ist unter Juristen umstritten (Az.: 5 O 109/18), muss sich ein getäuschter Autokäufer üblicherweise einen Nutzungsvorteil abziehen lassen (Az.: 13 U 149/18). Im vorgenannten Fall wären das fast 6.000 Euro.
Wird der Fall vor dem BGH dennoch im Sinne des Klägers entschieden, dürfte auf VW eine Klagewelle mit höheren Entschädigungssummen zurollen. Bis dahin versucht das Unternehmen offenbar, viele Kläger mit geringeren Vergleichsangeboten abzufinden, die zudem auch auf alle Ansprüche gegen VW im Zusammenhang mit der Manipulationssoftware verzichten müssten. Ausgenommen Ansprüche, die aufgrund einer Stilllegung durch das Kraftfahrt-Bundesamt entstehen.
Anwaltliche Erstberatung empfohlen
Eine schwierige Entscheidung, die auch VW bewusst ist, weswegen der Konzern jedem Betroffenen eine anwaltliche Erstberatung in Höhe von 190 Euro bezahlt – sofern der Kläger anschließend dem Vergleich zustimmt. Lehnt dieser das Angebot ab, ist er nicht länger an die Musterklage gebunden und kann aufgrund der gehemmten Verjährung bis Ende Oktober Einzelklage erheben. Von der Klage des vzbv muss er sich nicht abmelden, diese endet automatisch im April.
Die ARCD-Juristen empfehlen, sich in jedem Fall anwaltlich beraten zu lassen, das Vergleichsangebot sorgfältig zu prüfen und sich vom schnellen Geld nicht blenden zu lassen. Es könne sein, dass VW das Vergleichsangebot bei einer Einzelklage nachbessert.
Doch ein Risiko bleibt: Bislang hat sich Volkswagen mit jedem Kläger vor der ersten Verhandlung am BGH finanziell verglichen und damit eine Grundsatzentscheidung der obersten Richter unterbunden.
VW Vergleich: Höhe der Einmalzahlungen
https://www.musterfeststellungsklagen.de/vw/einmalzahlungen